Die kleine rote Tasse

Nun sitze ich hier und lasse mir einen neuen Reifen aufziehen. Unverhofft. Für einundachtzig Euro. Ich fühle mich platt und müde, wie der Reifen hinten rechts an meinem Auto. Wie gut, dass ich mir heute schon einen kleinen Kaffee gegönnt hatte.

Ich sitze beim Reifenhändler. Durch ein Fenster blicke ich in die Werkstatt. Mein Auto aufgebockt. Matschig und nass hängt es nun unter Neonlicht. Meine Gedanken schweifen ab. Nicht zu meinem kaputten Reifen. Auch nicht zu der Warnung, die mein Auto mir seit Tagen gegeben hatte. Druckverlust! Nein, ich denke an sie.

Wie gut, dass ich sie heute morgen schon gefüllt hatte. Ja, ich. Nicht mein Sohn. Das hatte zu einem Wutanfall geführt. Die Knöpfe der Kaffeemaschine sind doch gefälligst ausschließlich von ihm zu betätigen. Im Schwung der morgendlichen Routine hatte ich es mir erlaubt, den Kaffee selbst in meine Tasse rauszulassen. Vor lauter Wut schmiss er den Schnuller durch das Wohnzimmer, schrie und ging auf mich los. Meine kleine rote Tasse. Ich mag sie jetzt schon. Ein Weihnachtsgeschenk. Eine Wunschtasse.

Nun sitze ich hier und lasse mir einen neuen Reifen aufziehen. Unverhofft. Für einundachtzig Euro. Ich fühle mich platt und müde, wie der Reifen hinten rechts an meinem Auto. Wie gut, dass ich mir heute schon einen kleinen Kaffee gegönnt hatte. Die schönste Zeit des Jahres war erschöpfend für uns. Die kleine rote Tasse kommt zur rechten Zeit. Sie wird mich in Gang halten. Ich hatte sie mir für den Alltag gewünscht. Für den ersten Kaffee am Morgen. Als Starter in das neue Jahr. Die kleine Tasse leuchtet mich rot an und verstrahlt dabei die Magie eines leeren Blatt Papiers. Denn wer weiß, was der Alltag im neuen Jahr so bringt?!

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Morgenstund…

Erst gestern attestierte mir die Erzieherin, dass mein Kleiner nun in der Trotzphase angekommen sei. „Er wird warm“, waren ihre Worte. Sie weiß nicht, was sich bereits in den letzten zwei Wochen bei uns abgespielt hat. Zunächst hatte ich es auf die letzten vier Backenzähne geschoben. Doch die sind nun alle da. Ich sehe Rot. Seine Wutanfälle sind von anderem Ausmaß, als es die seiner Schwester waren und bis heute sind. Ja, ich kenne diverse Ratgeber zu dem Thema. Nein, ich gebe keine Tipps, wie ich damit umgehe. Jedes Kind ist anders. Jede Mutter hat andere Nerven. Wir sitzen alle im gleichen Boot.

Die neue Tasse wird mir Kraft geben. Gerade genug, um den Tag in Gang zu bringen. Die durchwachsene Nacht hinter mir zu lassen. Die Launen meiner Kinder leichter zu nehmen. „So, Ihr Fahrzeug ist fertig, Frau…“, reißt mich der Werkstattleiter aus meinen Gedanken. Ein Glück ist nun alles fahrbereit. Der Karren läuft wieder. Habt Ihr auch kleine Gegenstände im Alltag, die Euch Kraft geben?

Kathrin
Kathrin

Ich bin 1981 in Köln geboren, Mutter, Ehefrau und berufstätig. Diesen Blog habe ich gegründet, um meine Erfahrungen mit Euch zu teilen. Ich freue mich über den Austausch hier, auf Instagram oder meinem YouTube Kanal.

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25 Kommentare

  1. Liebe Katrin,

    ich erkenne uns in deinem Beitrag wieder. Hier wohnt auch eine kleiner Wüterich, nämlich meine Tochter. Die Wut kommt mal mehr und mal weniger. Mir gibt meine Sternentasse, die ich nach dem Mittagessen für einen Kaffee nutze, Kraft. Ich mag sie so gerne und freue mich jedes Mal, sie zu benutzen. Nach dem Mittagessen ist meist der halbe Tag geschafft. Ich war schon arbeiten und habe den ganz normalen Wahnsinn am Tag schon halb hinter mir . Die schöne Tasse gibt mir Kraft für den restlichen Tag. Und natürlich auch der Kaffee . Ich wünsche uns viel Kraft für alle Launen, die da kommen .

    Liebe Grüße

    Esther

  2. Ja, meine Nähmaschine! Sitze ich an meiner Nähmaschine, kann ich den ganzen Stress vergessen.

    Ich habe auch ein sehr willensstarkes Exemplar zuhause. Die Spitze des Eisbergs kam dann mit fast drei Jahren zutage. Und ich dachte immer, es könnte nicht noch schlimmer werden … Tatsächlich dauern Wutanfälle bei meinem Sohn bis zu 90 Minuten! Dabei wird geschlagen, getreten, gekratzt und gebissen. Ich selbst war entsetzt von der Wut, die er in sich trägt. Ich war kurz davor zu verzweifeln. Bei anderen ist er der liebe, kleine, schüchterne Junge und zuhause ein wahrer Tyrann! Die Willenstärke wurde uns sogar mehrmals ärztlich bestätigt. Denn bei Arztbesuchen hat er einfach auf stur gestellt und wenn ihm der Arzt zu nahe kam, gab es Geschrei und er hat um sich geschlagen. Seitdem er neuerdings auch mal woanders den Mund auf macht, ist es zuhause besser geworden. Ich hoffe, dass es auch so bleibt.
    Und seine kleine Schwester, die zickt mt ihren 1 1/2 Jahren auch schon rum. Sie möchte entscheiden, welche Schuhe sie anzieht und wenn sie es nicht darf wirft sie sich auf den Boden. Allerdings vergisst sie ziemlich schnell ihre Wut und nach 15 Minuten sieht die Welt schon wieder anders aus. Ich hoffe, dass sie einen etwas kooperativeren Weg einschlägt als ihr Bruder.

  3. Das Leben mit Kindern ist so schön… Erst kommen die Schübe, dann Reihen sich die Zähne dazu, zwischenzeitlich werden die Schübe durch Phasen ersetzt. Da braucht man echt Nerven. Und es ist super wenn man dann einen kleinen Helfer hat wie deine kleine rote Tasse. Ich wünsche dir starke Nerven damit ihr gut durch die Phasen kommt.

  4. Ja ich habe auch solche “Kleinigkeiten”, die mich im Alltag erfreuen. Bei mir ist es meine Tasche. Eine sauteure Wickeltasche aus Leder, die ich extra in den USA bestellt habe. Das Futter ist türkis. Jedes Mal, wenn ich reingucke, freue ich mich. Ein kleiner Farbtupfer in meinem Alltag. Ist nicht so “klein”, da sie recht teuer war. Im Alltag kann man so kleine Aufmunterer gut brauchen. Ich habe vier Kinder. Der Große ist schon Schulkund und da kommt eine ganz andere Art von Trotz dazu. One day at a time. Alles Gute für Dich.

  5. Ach liebe Katrin…Es ist nicht immer einfach…Sehr netter Text. .. musste schmunzeln,das in gewissen Situation eine kleine rote Tasse ,,sooo viel Stärkung bringt”…Es sind die kleinen Dinge über die man sich besonders freut oder so…und nachdenklich werde ich…Das ich mir auch was schönes überlege für mich…Aber bis jetzt nein habe ich nichts…Aber danke für deine Gedanken und Inspektion. ..
    Liebe grüße

  6. Morgens ist bei uns alles durchgetaktet. Im Prinzip klappt es auch, sogar in Ruhe frühstücken und ein kleines bisschen Zeitung lesen. Aber wenn sich die Jungs dann beim Zähneputzen im Bad streiten, der Große mit Kopfhörern durchs Haus läuft und nicht ansprechbar ist, der Kleine seine Busfahrkarte sucht oder die Lieblingshose in der Wäsche ist……., dann freue ich mich auf meine etwas längere Fahrt zur Arbeit, allein im Auto mit meinem Hörbuch oder dem Radio.

  7. Morgens ist bei uns alles durchgetaktet. Im Prinzip klappt es auch, sogar in Ruhe frühstücken, ein bisschen Zeizung lesen. Aber wenn sich die Jungs dann im Bad streiten, der Große mit Kopfhörern durchs Haus läuft und nicht ansprechbar ist, der Kleine seine Busfahrkarte sucht oder die Lieblingshose in der Wäsche ist …… dann freue ich mich, wenn ich auf meiner etwas längeren Fahrt zur Arbeit allein mit meinem Hörbuch oder dem Radio im Auto sitze.

  8. Die Tassen (in grün und blau) haben wir auch . Die grüne Tasse ist mein Anker und morgens trinke ich daraus meinen ersten Kaffee. Wutanfälle bin ich von Kind 1 in starker Intensität gewohnt. Mal sehen wie es bei Kind 2 wird. Im besten Fall bleibt mir noch 1 Jahr “Erholung” 😉

  9. Meine beiden Lieblingstassen in zwei verschiedenen Größen hat meine 3-jährige Tochter in den letzten 4 Wochen kaputt gemacht. Einmal absichtlich in einem Wutanfall und einmal aus Versehen. *seufz*

    Ansonsten habe ich immer mal neue Lieblingsteile, die mich aufmuntern. Mal sind es Pflanzen, mal ein besonders schöner Pullover…

  10. Sehr schön geschrieben! Man sieht wie viel Arbeit Du in deinen Blogposts reinsteckst. Es macht viel Spaß sie zu lesen. Zum Thema Wutanfälle schreibe ich lieber nichts. Ich bin zu erschöpft vom meinen Vormittag mit meinem 2 jährigen Sohn… Aber nach dem Mittagschlaf wird es ganz bestimmt alles besser… 😉 😉 Liebe Grüße und schönes Wochenende Euch!

  11. Liebe Kathrin,
    ein schöner Text, der wohl nicht wahrer sein könnte. Ich habe keinen bestimmten Gegenstand,sondern baue Kleinigkeiten in meinen Alltag ein, auf die ich mich freuen kann oder, die mir Kraft geben. Manchmal ist das Leben als Mama oder allgemein als Familie überraschend turbulent und anstrengend. Ich finde es gut, dass du es eben auch ansprichst.

  12. Hallo Kathrin, ich “freue” mich schon fast von Leidensgenossinnen zu lesen. Natürlich…das Wort Trotzphase ist recht geläufig, aber ich hatte ja keine Ahnung 😀 Ich habe mir tatsächlich auch eine Tasse gekauft (zwei) und gleich welche nachbestellt (Handarbeit) – mit der Idee einer Kaffeerunde…demnächst mal, sobald mein kleiner Terrorkrümel (ein Mädchen) wieder gesund ist. Nun sind sie fertig geworden (auf etwas so schönes wartet man auch gerne länger). Wundervoll…dazu Kekse und die Welt ist ganz kurz etwas ruhiger. Leider habe seit neuestem immer Kekse im Haus. Ich weiß nicht wo das noch hinführt.
    P.S.: Sehr schön geschrieben!

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